Wie sah die gebaute DDR im Ausland aus? Auf diese Frage gibt dieses Buch überraschende Antworten. Der Architekturexport zwischen 1949 und 1990 vollzog sich im Spannungsfeld von internationalistischer Solidarität, Selbstbehauptung des Staates und Handelsinteressen. Für jedes Land und jede Bauaufgabe – vom Wohnkomplex bis zum Planetarium – waren kreative Lösungen gefragt und die konnten nicht von einer »Architektur ohne Architekten« kommen, wie die Planungspraxis im »Beitrittsgebiet« nach 1990 denunziert wurde. So wie die Gestaltungskraft des DDR-Bauwesens vom Ausland beeinflusst wurde, prägte es dort das Bild eines modernen Staates und arbeitete an einer globalen sozialistischen Perspektive mit.
Der Band vereint Beiträge aus verschiedenen Blickwinkeln. Darüber, welche Ansätze die DDR-Bauleute auf die Herausforderungen in der Welt entwickelten – in gerade von der Kolonialherrschaft befreiten Ländern, in den Industrieregionen Osteuropas und nicht zuletzt vor der eigenen Haustür, in West-Berlin: von Sansibar bis Halensee. So öffnet sich ein Panorama, das von Utopischem über technischen und gestalterischen Pragmatismus bis zum konfliktreichen Zusammenwirken aller Beteiligter reicht. Ein eingefügtes Reprint der Weimarer »Tropenbaubriefe« zeigt, dass es stets auch um beiderseitiges Lernen und die Befähigung zur Selbsthilfe gehen sollte.
Viele Projekte kamen nicht zur Ausführung, manches ist nach Jahrzehnten intensiver Nutzung verschwunden, doch anderes zeigt sich vor Ort als beständig und gewürdigt. Der beigefügte Katalog versammelt 110 der wichtigsten Auslandsprojekte der DDR – ein Fundus für den internationalen Vergleich, die Debatte über die soziale Funktion der Architektur und das Schicksal der Moderne zwischen Globalisierung und Regionalisierung.
Inhalt
Thomas Flierl
Architecture: Global socialist modern
Andreas Butter
Projekt und Buch
Andreas Butter
Bauvorhaben: Weltniveau. Der internationale Architekturtransfer der DDR zwischen Solidarität und Kommerz
Andreas Butter
Platte unter Palmen? Der Wohnungsbau-Export der DDR
Nikolai Brandes
«Das Ziel waren Häuser für die ganze Bevölkerung» Ein Gespräch mit dem mosambikanischen Architekten Mário de Rosário, der in Maputo die Umsetzung eines der letzten Wohnungsbauprojekte der DDR im Ausland begleitete
Christina Schwenkel
Den globalen Sozialismus aufbauen. Eine städtebauliche Geschichte der DDR-Planung in Vinh, Vietnam
Weimarer Tropenbaubriefe. Faksimile
Wolfgang Thöner
Bauhausmoderne und chinesische Tradition: «Ein Haus, das deutsch ist, aber auch in Peking stehen kann» Franz Ehrlichs Entwurf für ein Haus des Handels in Peking
Andreas Butter
Schalensheds für China. Ein Exportprodukt der DDR-Industriearchitektur – Intentionen und Rezeption
Tanja Scheffler
Das Planetarium in Tripolis. Ein Prestige- und Marterschließungsprojekt der DDR füt den arabischen Raum
Juliane Richter
Eine «komplizierte politisch-ideologische Situation» auf der Baustelle. Was ein Bericht zumZementwerk Nuevitas über Sozialismuskonzepte in Kuba und der DDR aussagt
Monika Motylińska und Phuong Phan
Nicht der übliche Weg. Der Beitrag eines ostdeutschen Ehepaars zur Planung der äthiopischen Hauptstadt
Andreas Butter
Eine DDR der neunziger Jahre. Die Planungen des DDR-Pavillons auf der Weltausstellung in Sevilla
Katalog
Autorenbiografien
Rezensionen
Nikolaus Bernau im rbb: https://www.rbb-online.de/rbbkultur/radio/programm/schema/sendungen/der_morgen/archiv/20230414_0600/fruehkritik_0745.html
Jochen Becker in der TAZ vom 8. Mai 2023, S. 18: https://taz.de/Buch-ueber-Architektur-der-DDR/!5930128/